Erst mal muss ich mich vielleicht bei all denen entschuldigen, die schon lange hier mit lesen, dass es so lange gedauert habe, bis ich etwas ausführlicher über mich schreibe. Einerseits ist da natürlich so eine gewisse Scham, mich so in den Vordergrund zu spielen - oder, wie man heute sagt: so sichtbar zu werden. Mich so zu zeigen, mit so vielen persönlichen Facetten. Und damit eben auch verletzbar zu machen.
Andererseits empfinde ich jetzt aber auch, dass ich mir ja auch von dir, die du das liest Vertrauen und Offenheit wünsche. Ja bis hin zu dem Mut, dich mir mit deinen ganzen Schwierigkeiten, Hindernissen, Ängsten und Unvollkommenheiten anzuvertrauen. Und da musst du doch wissen, wer das ist, die da schreibt. Also ist es nur richtig, dass ich in Vorleistung gehe und zeige, dass ich Vertraue. Dass ich mich erst mal öffne und zeige. Und schließlich, dass ich nichts zu verbergen habe. Meine Geschichte, mein Weg ist, wie er ist. Und ich hoffe einfach, dass es für einige hilfreich ist, etwas davon zu erfahren, dass auch andere nicht immer so gradlinig vorangeschritten sind, wie es manchmal scheint.
Deshalb will ich nurn von Zeit zu Zeit immer mal wieder etwas persönliches hier schreiben.
Heute beginne ich mit ein paar Fragen, die mir immer mal wieder gestellt werden. Ich freue - wie immer - über Anmerkungen, Kommentare und Feedback.
Was du hier findest
Stimmt es, dass du auch Schreibkurse gibst?
Ja, das stimmt. Und es ist irgendwie auch eine logische Entwicklung dorthin. Mit meiner Ausbildung zur psychologischen Beraterin, insbesondere mit dem Fokus auf den systemischen und lösungsfokussierten Ansatz, wird deutlich welche Rolle es für die eigene Entwicklung spielt, die richtigen Fragen gestellt zu bekommen und in der Fantasie, Dinge durchzuspielen, sich auszumalen.
Autobiografisches Schreiben
Dabei ist mir schnell klar geworden, dass es genau das ist, was ich gemacht habe, seit ich angefangen habe Tagebuch zu schreiben. Und das gebe ich nun weiter.
Ich gebe Kurse zum Autobiografischen Schreiben, die helfen in eine tiefere Verbundenheit mit sich selbst zu kommen. Seinem Wesenskern, seinem unverstellten Ich näher zu kommen. Aber auch spielerisch seine Fähigkeiten und Möglichkeiten zu erweitern.
Das Besondere ist dabei vielleicht die Verbindung zum therapeutischen Schreiben. Durch die Fragestellungen der Schreibaufgaben und die große Konzentration, die beim Schreiben aufkommt, die ja fast ein Eintauchen in die gewünschte Vorstellung ist, kommt eine große Wirksamkeit zustande. Ich werde das an anderer Stelle noch mal ganz genau beschreiben, wie und warum das funktioniert. So lange schlage ich vor: wenn es dich zum Schreiben zieht, probier es einfach mal aus.
Kreatives Schreiben
Und ja, die ganze Fantasie und das Spielen mit Worten ist mir selbst als eine große Freude geblieben. Ich schreibe gerne Kurzgeschichten. Natürlich erscheint bald mein erster Roman. Und mein Sachbuch zur Macht der Wörter ist auch schon unterwegs.
Es hat allerdings sehr lange gedauert, bis ich das tun konnte. Lange habe ich mich dafür geschämt. Habe gedacht, ich bin sicher nicht gut genug. Niemand wird mich verstehen. Es ist langweilig für andere und was man sonst noch für Ausreden finden kann. Bis ich mich endlich getraut habe selbst an einen Workshop für kreatives Schreiben teilzunehmen. Das war so ein Augenöffner - so ein Entwickungsschub und Mutmacher und Zu-mir-selbst-finde-Impuls, ... dass ich mich selbst weitergebildet habe. Gelesen, ausprobiert, gelesen und geschrieben habe und nun mit sehr viel Freude in anderen auch das kreative Gen wecke, so dass viele wunderbare Geschichten in den Kursen entstehen.
Was für eine Rolle spielt Schreiben in deinem Leben?
Ich habe mit dem Tagebuchschreiben angefangen, als ich 15 war. Mein Leben war damals irgendwie ins Wanken geraten. Meine Eltern hatten eine schwere Krise. Wir waren von der Eifel in die Frankfurter Gegend gezogen. Meine Mutter, die vorher Hausfrau war, hat angefangen zu arbeiten. Es war herausfordernd und anstrengend für sie. Gleichzeitig war niemand in der Familie auf die Veränderungen vorbereitet, die das mit sich bringen würde. Sie hat sich allein gelassen gefühlt. Sie hatte nicht gelernt ihre Wünsche und Bedürfnisse durchzusetzen. Ihr Ausweg war Flucht. Flucht in den Alkohol. Dummerweise. Damit waren auch wir Kinder (mein Bruder und ich) ziemlich allein mit all den Veränderungen. Und mein Ausweg war das Tagebuchschreiben. Da habe ich mir ein geduldiges, kluges, liebevoll interessiertes Gegenüber geschaffen, das durch alle Höhen und Tiefen, immer da war, immer zugehört hat und so manchen klugen Rat gegeben, so manche gute Frage gestellt hat. Ich war im Gespräch mit ihm. Und das hat mich gerettet.
Wo kommst du her?
Geboren bin ich in der Eifel. Aufgewachsen auch dort. Am Rand eines kleinen Städtchens. Gleich gegenüber vom Wald. Daher vielleicht meine große Waldliebe. Es gab nur gefühlt drei Häuser in unserer Straße und zwei Jungs in meinem Alter. Und wir haben hauptsächlich im Wald gespielt. Oder Fußball auf der Straße.
Und. Ich habe es geliebt. Und seit wir weggezogen sind, habe ich Heimweh. Aber weil wir keine Verwandten dort haben, war ich nicht mehr oft dort. Aber es ist immer noch mein Sehnsuchtsort.
Daher kommt vermutlich meine Liebe zum Wald. Das Gefühl zu Hause und bei mir zu sein, wenn ich Waldduft in der Nase habe. Aber inzwischen denke ich, dass der Wald mich weitaus tiefer geprägt hat. Denn der Wald ist ein komplexes Ökosystem. Egal wo du hinschaust, lebt, stirbt, wächst, vergeht etwas. Er hat mein Bild vom Leben, von Gesellschaft von Menschlichkeit geprägt. Ja. Ich denke schon.
Was hättest du bezüglich deiner Kinder gerne früher gewusst?
Was hättest du anders gemacht, wenn du gewusst hättest, was du heute weißt?
Ich glaube tatsächlich, dass ich mir öfter einen Rat von außen geholt hätte. Ich war der Meinung, dass alles gut ist, wenn ich die "Fehler" meiner Eltern nicht wiederhole. Das heißt, wenn ich das nicht mache, was mich bei meinen Eltern gestört hat. Das waren so Sachen wie: nicht zuhören, wenn es mir nicht gut ging. Nicht fragen, wenn etwas offensichtlich nicht in Ordnung war. Überhaupt, wenig reden, wenig erzählen, erklären. Auch aus der eigenen Geschichte. So eine Interesselosigkeit an mir als Mensch, mit Ideen, Fantasie, Theorien, Träumen, Wünschen, Sehnsüchten. Und dann das Alleinelassen. Ganz am Rand des kleinen Eifelstädtchens, auf der anderen Straßenseite Wald, sind sie abends weggefahren. Einmal in der Woche zum Tischtennisspielen. Ja, ein einfaches Vergnügen. Kein Problem. Aber ich hatte furchtbare Angst damals. Meine gesamte Fantasie (und das war nicht wenig) ist Amok gelaufen. Vom Wolf im Wald, bis zu Einbrechern, die sich von außen ein Loch in die Hauswand hämmern, um einzudringen, bis zu schlichten Geistern (die kein Loch in der Wand brauchen), war alles Wirklichkeit für mich. Dazu die Angst, dass ich böse gewesen sein könnte am Tag und sie deshalb einfach gar keine Lust haben könnten wieder zu kommen, dass sie einen Unfall haben könnten und auf der Straße verbluten könnten, ...
So habe ich mir einen Plan gemacht, wie ich mit meinem kleinen Bruder am nächsten Tag zu Oma kommen könnte (wir hatten kein Telefon). Wem ich Bescheid sagen könnte... Wer uns helfen würde .... Ich hatte solche Angst, dass ich mich oft übergeben musste. Und es manchmal nicht bis ins Bad geschafft habe. ...
Es hat alles nichts geändert.
Nein, meine Eltern sind liebe und gute Menschen gewesen. Aber ich glaube sie konnten das nicht verstehen. Sie sind in Kriegs- und Nachkriegszeiten aufgewachsen und haben schlimmeres erlebt. Sie haben vermutlich gedacht, es gibt (anders als bei ihnen selbst in der Kindheit) gar keinen Grund Angst zu haben, und dass ich das am besten merken würde, wenn man dem gar keine Beachtung schenkt. Nun gut: das würde ich definitiv anders machen bei meinen Kindern. Hab ich auch.
Was ich wirklich völlig übersehen habe war, dass es darüber hinaus noch andere Dinge gibt, die wichtig sind für Kinder. Und ab und zu ein Gespräch mit jemand unbeteiligten hätte mir und meinen Kindern gut getan glaube ich. Ich hätte diese Dinge, die mir gefählt haben: Gespräch, Achtung, Aufmerksamkeit, Rücksicht auf ihre Ängste nicht allein in den Fokus gestellt. Ich hätte mehr Aufmerksamkeit für Struktur gehabt. Ich hätte vielleicht ein entspannteres Verhältnis zum Überwinden von Hindernissen entwickelt. Ich hätte Trennung, Ängste und Alleinsein etwas entspannter auch mal zulassen können. Für mich hat das immer meine eigene Kindheitspanik ausgelöst. Und so habe ich glaub ich einiges davon weiter gegeben, obwohl ich genau das nicht wollte.
Diesen Mechanismus hätte ich gerne verstanden. Und dafür wäre ein Blick von außen notwendig gewesen. Da war ich zu verblendet in dem Gedanken, ich weiiß, dass ich alles richtig mache. Heute weiß ich: man entwickelt dadurch einen blinden Fleck, den man eben nicht sieht.
Bist du religiös oder spirituell?
Ich bin katholisch und sogar eine regelmäßige Kirchgängerin. Und das obwohl ich mit vielem nicht einverstanden bin und in vielem nicht nach den Vorstellungen der Kirche lebe und gelebt habe. Dabei bin ich gar nicht mal so erzogen. Meine Eltern sind praktisch nie in die Kirche gegangen. Das Bedürfnis kam erst dadurch dass ich meinen Partner kennen gelernt habe. Irgendwie hat es uns in die Kirche gezogen - Mich um mich für das Wunder dieser Begegnung zu bedanken. Es war ein spirituelles Bedürfnis. Und das wurde mit der Geburt unseres ersten Sohnes noch stärker. Ich hatte das Gefühl, diese Aufgabe ist zu groß für mich. Ich möchte Gottes Segen haben. Und ich fand die Idee einer Gemeinde, zu der meine Kinder auch gehören, und die mit für sie betet, beruhigend.
Und dann habe ich angefangen, diese eine Stunde in der Woche zu genießen, in der ich als Mensch vor Gott stehe und ihm begegne. Wo ich danke sagen kann und für meine Lieben beten kann. Mich als Teil eines großen Ganzen fühlen kann. - Und Tatsache ist: mir sind dort viele wunderbare Menschen begegnet. Die fast alle ihre Probleme mit der Institution haben. Aber nicht los kommen. Ich selbst wäre in den letzten Jahren schon oft beinahe ausgetreten. Aber ich möchte nicht auf die Gottesdienste und die Menschen verzichten. Und da bleibt mir nur, darauf zu hoffen, dass langsam langsam eine Erneuerung von innen heraus stattfinden kann.
Aber - weil mich tatsächlich mal jemand gefragt hat: ich kann offen, neugierig und empathisch mit Menschen sprechen, die aus der Kirche ausgetreten sind, die ihr negativ gegenüberstehen, die anders leben und lieben. Es ist mir nicht wichtig, wenn es ihnen nicht wichtig ist, ob sie in einer Kirche sind oder in welcher. Es gibt viele Wege zu Gott. Und ER / SIE hat viele Namen.
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