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Geschwister


Und schon wieder bin ich spät dran. Nicht zu spät hoffentlich. Aber dafür, dass ich lange auf dieses Buch gewartet habe, hätte meine Rezension auch schneller hier sein können. Aber ich predige ja immer wie ein alter Papagei, dass niemand perfekt sein muss - und so höre ich auch auf mit mir zu hadern. Am schnellsten verabschiedet man sich ja auch vom Perfektionismus wenn ein zweites Kind kommt. Passt also, oder?

Sollte ich einen einzigen Satz wählen für dieses Buch - in dem ich gefühlt tausende unterstrichen und mit Ausrufezeichen versehen habe - dann wäre es wohl dieser: "Nehmen Sie die Dinge nicht so ernst, Erziehung ist jetzt nicht das Thema, Verbindung ist nun wichtiger (S. 68). Und um das noch mal zu unterstreichen: "Und ja, die Kinder und ihre Beziehung sind in den ersten 24 Monaten unser Fokus. Wir legen hier das Fundament für eine achtzig bis hundert Jahre währende Beziehung! Es lohnt sich." Also konkret: kuscheln geht vor Aufräumen. Liebes sagen vor Tischmanieren.

"Ich hasse meine Schwester"

So, das wisst ihrs. Aufräumen kann man später. Dieses Fundament legen nicht.

Trotz allem steckt der Teufel im Detail: Was tun, wenn die Große den Kleinen haut? Wenn Sätze fallen wie "Ich hasse meine kleine Schwester", oder ähnliche schöne Dinge? Muss man gerecht sein? Immer immer immer heißt es: cool bleiben, nicht sofort bestrafen. Nachfragen und am besten Thema wechseln. Mir ist das mit der Gerechtigkeit in Erinnerung geblieben, weil ich - wie so viele andere Eltern, denen ich so begegne - immer denke, ich müsste den oder die Schwächere beschützen und den Kindern beibringen, dass sie nicht zuschlagen dürfen - vor allem die Schwächeren nicht. - Aber wers schon mal versucht hat, weiß, wie die Kids vom Hundertsten ins Tausendste kommen: Ich will nur rausfinden, wer zuerst wem was weggenommen hat - und dann heißt es "Aber gestern..." Das Kapitel Gerechtigkeit ufert eigentlich immer aus. Und auch hierzu ein schönes Zitat, das ich auch bei Frau Schmidt steht: "Was meine Mutter nicht ahnte war, dsss ich meine Schwester absichtlich reizte, damit sie mich schlug, wodurch ich sie in Schwierigkeiten brinkgen konnte. Meine Mutter hat das nie durhschaut. (Eine Kursteilnehmerin)" Tja, so sind sie auch, die lieben Kleinen.

"Bitte keine Stempel aufdrücken!"

Das steht übrigens im Kapitel "Wie Eltern die Rollenverteilung verstehen und Problemkinder vermeiden." Und das ist so unglaublich wichtig. Weil wir so schnell in Rollenverteilung reinrutschen: "Du bist ja schon vernünftig." Und ein mal eben nebenher gesagtes: "Er ist eben unser kleiner Wilder. Ganz das Gegenteil von seiner Schwester", können Folgen für ein ganzes Leben haben. Müssen aber nicht. Hauptsache man weiß, was man getan hat und relativiert es ein anderes Mal. Denn bei den Kindern sind alles "nur Phasen" und das muss auch so sein, wenn sie später Erwachsene mit vielen Facetten, mit einer großen und starken Persönlichkeit werden sollen.

Was ich absolut liebe an den Büchern von Nicola Schmidt sind ihre Exkursionen in die Wissenschaft. - Ich will nämlich immer wissen, warum etwas so ist, und woher sie das wohl weiß. Und das kann sie gut. -Studien zitieren und heranziehen. Menschheitsgeschichtliche Aspekte in den Raum stellen. Perspektiven öffnen. Ich finde das entspannt ungemein. Sich immer mal wieder daran zu erinnern dass es ums Überleben geht. Ums gute Überleben in einer guten Gemeinschaft. - Das zweite ist aber auch schon die Exaktheit und Detailliertheit mit der sie Fragen, Einwände und Ausnahmen unter die Lupe nimmt.

Geschwister sind ein echt weites Feld, wenn man bedenkt, welchen Unterschied es macht, wie groß der Altersunterschied ist, wieviele Geschwister es überhaupt sind - und welchen Alterszeitraum man gerade untersucht. Und all diese Aspekt finden sich in einem Abschnitt in diesem Buch wieder. Die ersten 24 Monate, sind in drei Unterkapitel unterteilt (0-8, 8-16 und 16-24 Monate). Aber der Rest ist auch nicht mehr annähernd so schwer und anstrengend, wenn die Grundlagen gelegt sind.

Und was braucht es nun für das Fundament?

Ganz wichtig ist es, jedes Kind mit seinen eigenen Bedürfnissen zu sehen und zu berücksichtigen. Das ändert sich immer wieder. Und entsprechend brauchen sie in jedem Alter andere altersgemäße Anregung und Unterstützung. Sie müssen lernen wie man Konflikte löst - das ist viel wichtiger als den Schuldigen für einen Konflikt zu finden. Immer wieder Verbalisieren, ansprechen, thematisieren ist eine große Hilfe. Es befähigt die Kinder sich selbst zu verstehen. Auskunft zu geben, darüber, was sie fühlen und wollen. Ist ein gemeinsamer Sportkurs eine gute Idee? Kann sein. Kann sein für eine gewisse Zeit. - Manchmal brauchen Kinder einfach einen Raum für sich: ohne Bruder oder Schwester. Damit sie sich einmal ausprobieren können, neue Rollen durchspielen können. Sich entfalten können. Das kann aber nach ein paar Wochen schon wieder anders sein. Hinhören. Hinsehen. Nachfragen. - Das ist sehr anstrengend. Man könnte dabei auch schon mal das Gefühl haben, als Mama/Papa-Persönlichkeit auf der Strecke zu bleiben. - Und damit das nicht passiert muss Selbstfürsorge ganz ganz vorne stehen. Sei es mal ein Stündchen oder ein halbes, wenn die Kinder weg sind. Oder auch mal einen Abend oder einen Tag am Wochenende. Das ist wichtig! Wichtiger als eine geputzte Wohnung! Die könnt ihr putzen, wenn eure Geschwister-Kumpels-Kinder ein gutes Team sind und Mama gar nicht mehr so oft brauchen, weil sie sich untereinander viel zu erzählen haben, sich auch mal gegenseitig trösten und was vorlesen. ;)

"Niemals vergleichen!"

Toll ist das Kapitel darüber, wie Geschwister ein Team werden, denn hier geht es um Spiele und Albernsein, um gemeinsame Ziele und Teambildung.

Ein Kapitel ist den Patchworkgeschwistern, den eingeschränkten oder still geborenen Geschwistern gewidmet.

Es gibt ein Abschlusskapitel mit Do's und Don'ts: Bitte vergleicht eure Kinder nicht. Und ergreift niemals Partei. Steht da. Ich finde das ist das Wichtigste und bin da wohl mit Nicola Schmidt einig. - Es lohnt sich dieses Buch zuzulegen oder auszuleihen und einmal von vorne bis hinten durchzulesen. Es wird wirklich vieles einfacher machen. Es ist voller praktischer und erprobter Tipps. Man merkt auf jeder Seite, dass die Autorin weiß wovon sie spricht. Und sie hat nicht nur die Erfahrung aus ihrer eigenen Familie einfließen lassen sondern auch die der Eltern, die sie auf ihren Lesungen und Veranstaltungen trifft. Mein fester Vorsatz ist das ein oder andere Kapitel noch mal im Detail hier vorzustellen.

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