Du wirst wach, kurz vor deinem Kind - und kuschelst dich noch ein bisschen an diesen warmen weichen Körper, der sich dir so völlig anvertraut, du riechst diesen einzigartigen Duft der Kinderhaut, betrachtest das liebe Gesicht, die zarten Hände ... und denkst: so könnte es bleiben. Hier bin ich richtig. So soll es sein. Ein Moment des Glücks im Hier und Jetzt .... bevor ... ja bevor was eigentlich? Bevor diese Gedanken kommen: ich muss doch, wir wollen doch, ich sollte!
Wenn ich heute (wir sind seit sieben Jahren kita-frei) die Mamas und Papas sehe, die ihre Kinder zur Kita bringen, dann kriege ich manchmal den Mund vor Staunen nicht mehr zu. Wow. Ihr seht toll aus, denke ich da. Und das ist ganz ganz ehrlich gemeint. Gekämmt, gut gekleidet, frisch und voller guter Laune (so sieht es wenigstens aus). Meine absolute Bewunderung! Ehrlich gesagt, habe ich das nie so hingekriegt. Meine Sympathie aber ist bei der einen Mutter, die etwas verknittert und unausgeschlafen erscheint. Die ein bisschen runder geworden ist und ein paar Milchflecken auf dem T-Shirt hat. Ja - denke ich - so darf Muttersein aussehen.
Denn mal ehrlich: Mutter- und Vaterwerden ist die größte Veränderung im Leben eines Menschen. Und Veränderung hat immer mit loslassen zu tun. Egal ob du in der Karriere einen Sprung nach oben machst, ob du dich selbständig machst, heiratest oder Kinder bekommst. Das Alte muss gehen. Und das Neue muss anders aussehen. Und ich weiß, welchen hohen Preis all die zahlen, die Kinder haben und aussehen, als sei nichts geschehen - außer dass jetzt ein süßes Baby mit im Haus lebt. Diese Veränderung braucht ihre Zeit bis sie im Leben angekommen ist. Und sie bringt ja viele wunderbare Dinge mit sich. All die, von denen wir doch geträumt hatten, damals "vor dem Kind": Familienleben, glückliches Kinderlachen, Rumtoben, Rumalbern und tiefe Gespräche. Von Geborgenheit und Heimat. Von Angekommensein und Erfüllung. Ist doch so, oder? Aber von der Arbeit, von der ständigen Präsenz der Kinder, von der Verantwortung und von der Veränderung, die das in uns hervorruft - davon haben wir nichts geahnt. Oder wollten es nicht ahnen. Oder haben es schlicht nicht geglaubt.
Worauf ich hinaus will? All das, wovon wir geträumt haben ist da! Nehmt es, genießt es. Es ist tatsächlich ein Geschenk. Lasst die Perfektion sausen. All das wird wieder kommen. Aber jetzt ist die Zeit für inneres Wachstum. - Sucht euch Gleichgesinnte. Ladet die etwas verknitterte Mutter zum Kaffee ein - denn bei ihr zu Hause sieht vermutlich auch nicht alles perfekt aus - also wird sie sich freuen, wenn sie sich bei dir nicht schlecht fühlen muss, wenn Kinderspielzeug rumliegt, oder nicht erst gestern staubgesaugt wurde.
Habt Spaß miteinander. Denn das Allerwichtigste: das Wachsen geht von alleine! Und um dein Kind zu fördern gibt es gar nichts Besseres als Ruhe und Entspannung und ganz viel Kuscheln.
Abenteuer!
Aber ich schweife ab. Worauf ich hinaus möchte ist eigentlich nur: Bevor wir Kinder haben, machen wir uns Bilder über das Leben mit Kindern. Aber diese Bilder stammen aus einer anderen Welt. Sie wurden gemacht, bevor man das Kind kannte, das nun da ist. Und mit diesem Kind tauchen neue Bilder auf, die auch Raum haben wollen. Das Leben mit Kindern ist Abenteuer pur, denn man weiß nie genau, was kommen wird. Und Abenteuer sind toll, denn Abenteuer machen lebendig, halten lebendig! Abenteuer laden ein, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Abenteuer machen kreativ. Versuchts doch mal mit einem Minimikroabenteuer: Raus aus der Bude - ab in die Welt! Mit Kind geht das auch.
Und weil man für ein Abenteuer Gefährten braucht, sucht euch Weggefährten, mit denen ihr euch austauschen könnt, wo die Kinder gemeinsam spielen können, die euch was vom Einkauf mitbringen, die mal das Kind abnehmen - um ein paar Stunden abschalten zu können - dann ist das Leben einfach leichter, fröhlicher und mitten im Chaos auch lustiger. Und sei es nur einmal in der Woche für ein paar Stunden
Ich liebe es ja auch in Blogs Gleichgesinnte zu finden - und deshalb möchte ich euch hier noch zwei empfehlen: Einmal ist da "Glücklich scheitern" von Melanie, von der ich auch den Titel geklaut habe. Sie schreibt vom glücklichen Scheitern – bei dem Versuch, allen Ansprüchen zu genügen: zu arbeiten und zu leben, eine gute Mutter zu sein, die nicht um ihre Kinder helikoptert aber auch nicht zu viel Karriere macht, die täglich frisches Bioessen auf den Tisch bringt aber ja auch auf ihr Äußeres achtet. Und ethisch und ökologisch korrekt leben wollte, und trotzdem Spaß haben und nun mit angefangener Großfamilie zwischen zwischen Windeln, Wunschdenken und Weltreise lebt.
Außerdem muss ich hier unbedingt noch "Kinder haben und glücklich leben" von Sophie erwähnen. Dieser Blog hieß zu Beginn "Kinder haben und trotzdem leben", und als ich ihn zum ersten mal gesehen habe, dachte ich nur: "Meine Güte, wie ehrlich." Und: "Meint sie das wirklich ernst, dass Kinder haben und leben nicht automatisch zusammen gehören, sondern es einer Anstrengung bedarf das hinzukriegen? Und ja: sie meint es ernst. Sie schreibt offen über ihre Probleme im Umgang mit dem Trotz ihres Erstgeborenen. Darüber, dass sie immer wieder an ihre Grenzen kommt und sie sich Hilfe bei der Erziehungsberatung gesucht hat, um damit klar zu kommen. Das finde ich ebenso ermutigend wie entspannend. Es nimmt dem Wettkampf darum, wer die bessere Mutter ist, den Wind aus den Segeln und man kann eher zugeben, dass man vielleicht nicht "perfekt" ist - was immer das auch sein mag.